Homeoffice: Vor- und Nachteil in der pädagogischen Arbeit
Die Berufsausbildung absolvieren Auszubildende – abgesehen von Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitung – ausschließlich vor Ort im Betrieb und in der Berufsschule. Auch pädagogische Arbeit findet meist im direkten Kontakt statt. Mit dem Lockdown Anfang März mussten viele unserer Teilnehmerinnen, aber auch unsere Mitarbeiterinnen zum ersten Mal im Homeoffice arbeiten. Das warf viele Fragen auf: Wie organisiere ich mich im Homeoffice? Was ist mit der Kinderbetreuung? Woher nehme ich die Motivation und wie gelingt es, die Konzentration aufrechtzuerhalten?
Dieser Blogtext beschäftigt sich mit Chancen und Problemen im Homeoffice insbesondere in Bezug auf die Arbeit mit Frauen in Berufsvorbereitungskursen und in der Ausbildungsbegleitung.
Eine Chance speziell für Mütter
Ein Großteil unserer Teilnehmerinnen sind Mütter. Da ab März Kitas, Schulen und Kindergärten geschlossen hatten, stand das Thema der Kinderbetreuung im Vordergrund; doch auch in Schulferien oder wenn das Kind krank ist, müssen Mütter häufig arbeiten, während das Kind zu Hause ist.
Viele unserer Teilnehmerinnen empfinden das Lernen zu Hause als großes Plus: Sie sparen zeitaufwändige Wege und können sich ihre Arbeit zeitlich flexibel einteilen. Eine externe Betreuung der Kinder zu Hause ist für ein paar Stunden viel einfacher zu organisieren, wenn die Mütter nur in einem anderen Raum sein müssen. Im Notfall können sie ihre Kinder dann auch selbst betreuen. Doch während der Arbeit als Ansprechpartnerin für die Kinder beim Homeschooling und bei weiteren Anliegen zur Verfügung zu stehen, bringt auch Probleme mit sich. Vielen Teilnehmerinnen fällt es schwer, mit voller Aufmerksamkeit beim Unterricht zu bleiben, wenn immer wieder Störungen durch die Familie auftreten oder zu befürchten sind.
Als Reaktion darauf berücksichtigen wir beim Planen des Unterrichts die Bedürfnisse und den Rhythmus der Kinder (etwa Schlaf- und Essenszeiten sowie Zeit für Hausaufgaben). Beispielsweise starten wir morgens mit einem Input und vergeben anschließend Arbeitsaufträge, die unsere Teilnehmerinnen selbstständig bearbeiten. Am Ende des Tages präsentieren sie ihre Ergebnisse. Durch dieses Vorgehen lassen sich Berufsausbildung und Familie vereinen – gerade für die Zielgruppe der Mütter erweist sich die Ortsunabhängigkeit im Homeoffice als großer Vorteil.
Unterschiedliche Bedarfe: Nicht alle Teilnehmerinnen profitieren vom Homeoffice
So unterschiedlich unsere Teilnehmerinnen sind, so verschieden sind auch ihre Bedürfnisse. Während der Großteil unserer Frauen mit Kindern virtuellen Unterricht als familienfreundliches Format schätzt, gibt es auch zahlreiche Teilnehmerinnen, die aus unterschiedlichen Gründen nur schwer im Homeoffice arbeiten können und denen Präsenzunterricht und -beratungen während der Coronazeit sehr fehlen.
Wenn ihre Kinder zu Hause sind, haben beispielsweise einige Mütter schlichtweg nicht die Ruhe, um Bewerbungen zu schreiben oder aber ihre Kinder benötigen den Rechner. Während dem Lockdown mussten wir zudem mit einigen Kursen komplett digital starten – was große Schwierigkeiten bereitete, denn die Teilnehmerinnen kannten weder uns Mitarbeiterinnen, ihre Dozentinnen noch die Klassenkameradinnen. So fiel der informelle Austausch weg und teilweise erschienen die Teilnehmerinnen einfach nicht. Das mag daran liegen, dass Onlineangebote als weniger verbindlich wahrgenommen werden – allerdings stellen wir auch immer wieder fest, dass virtuelle Angebote insbesondere Frauen mit niedrigem Bildungsstand häufig überfordern. Sie benötigen oftmals Face-to-Face-Kontakt und -Support. Daher unterstützen wir unsere Teilnehmerinnen bei Bedarf telefonisch auf dem Weg in digitale Angebote. Wenn die Frauen nur ein Smartphone besitzen, gestaltet sich das jedoch als schwierig, denn sie müssen mit dem Gerät dann gleichzeitig telefonieren und sich einloggen. Das zeigt erneut: Prämisse für Arbeiten im Homeoffice ist die richtige Ausstattung.
Die (fehlende) Ausstattung: Smartphone ersetzt keinen Laptop
Es kann nicht oft genug betont werden: Viele unserer Teilnehmerinnen haben keinen Laptop oder PC, teilweise nicht mal ein Smartphone – und damit keinen Zugang zu digitalen Angeboten. Diese Teilnehmerinnen müssen ihre Schulaufgaben in Internet-Cafés, Kirchengemeinden oder bei Klassenkameradinnen erledigen. Unsere Angebote sind bewusst so ausgerichtet, dass eine Teilnahme auch mit Smartphone möglich ist.
Doch ein Smartphone stellt keinen Ersatz für einen Laptop oder Rechner dar. Dies wird insbesondere im EDV-Unterricht deutlich, denn Formatierungsarbeiten lassen sich am Smartphone nur schwer erklären. Viele Programme funktionieren auch nicht über das Handy, weil es keine Programmierung für die mobile Ansicht gibt. Teilnehmerinnen die ausschließlich mit dem Smartphone arbeiten, sind zudem häufig nicht mehr mit Programmen wie Word und Excel vertraut oder können das Gelernte nicht am PC oder Laptop umsetzen.
Bis es Programme und Apps gibt, welche die Arbeit mit dem Smartphone sinnvoll abdecken, stellen PC oder Laptop die elementare Voraussetzung für das Arbeiten von Zuhause aus dar. Daher stellen wir einigen Frauen Leihgeräte zur Verfügung, doch wir haben nicht die Kapazitäten, um alle unsere Teilnehmerinnen zu unterstützen. Hier ist auch die Politik gefragt: Im Gegensatz zu einem Fernseher haben ALG II-Bezieherinnen keinen Anspruch auf einen PC oder Laptop. Wie beschrieben sind diese Geräte jedoch unerlässlich – etwa um sich fortzubilden oder Bewerbungen zu schreiben. Wir hoffen daher, dass sich diese Regelung insbesondere in Zeiten von Corona ändert.
Ein weiterer Punkt, der bei der Ausstattung oft vernachlässigt wird, ist ein geeigneter Arbeitsplatz. So klagen viele Teilnehmerinnen über Rückenschmerzen, da sie keinen geeigneten Stuhl oder Tisch für das Arbeiten im Homeoffice haben. Wir nehmen diese Rückmeldungen ernst und führen daher beispielsweise gemeinsam mit den Teilnehmerinnen kurze Gymnastikübungen in den Pausen des virtuellen Unterrichts durch.
Eine neue Situation auch für Pädagoginnen
Da pädagogische Arbeit auf Präsenz ausgerichtet ist, stellt Homeoffice für viele unserer Mitarbeiterinnen eine neue Erfahrung dar, die teilweise zu Problemen, aber auch zu positiven Erlebnissen führt. Ebenso wie bei Teilnehmerinnen macht sich bei uns Mitarbeiterinnen eine fehlende Ausstattung bemerkbar: Zwar verfügen wir alle über Laptops, jedoch zu Beginn der Pandemie nicht über gute Headsets und Kameras. Da wir nicht mit Diensthandys arbeiten, müssen wir unsere Teilnehmerinnen mit unterdrückter Rufnummer anrufen.
Wenn das Wohnzimmer plötzlich zum Arbeitsplatz wird, ist das nicht nur für die Trennung von Arbeit und Freizeit problematisch, denn Live-Online-Trainings sollten bestenfalls vor einem neutralen Hintergrund stattfinden. In Privaträumen ist ein solcher aber nicht immer vorhanden. Viele Mitarbeiterinnen finden es auch schade, weniger an die Kolleginnen angebunden zu sein und einen unpersönlicheren Kontakt mit Teilnehmerinnen zu haben. Zudem führt Arbeiten im Homeoffice derzeit bei uns zu gehäuftem E-Mail-Verkehr, um Absprachen und Austausch zu gewährleisten.
Doch wir profitieren ebenfalls vom Remote-Arbeiten: Fahrtwege sparen, effizienterer Austausch und die bessere Vereinbarung von Beruf und Familie betrachten viele als Pluspunkte. Während es im Büro selten möglich ist, sich für längere Zeit ohne Störungen auf eine Aufgabe zu konzentrieren, ermöglicht Homeoffice fokussiertes und ungestörtes Arbeiten. Auch die flexible Einteilung von Aufgaben sowie die Möglichkeit, sich in Pausen Care-Tätigkeiten zu widmen – etwa mal schnell Wäsche aufzuhängen – schätzen viele. Zudem erweitern wir durch neue Programme unsere technischen Fertigkeiten.
Auch wenn es Umdenken und Umstrukturierung von Abläufen erfordert, empfinden die meisten Kolleginnen Homeoffice als Steigerung der Lebensqualität. Ausschließlich mobiles Arbeiten möchte aber keine: Die meisten präferieren eine Mischung zwischen Homeoffice und Bürozeiten.
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