Plötzlich digitaler Unterricht – ein Erfahrungsbericht

Kern unserer Arbeit im VbFF ist die berufliche Bildung unserer Klientinnen. Zentraler Bestandteil vieler unserer Maßnahmen ist regelmäßiger Unterricht in hauseigenen Schulungsräumen – das war zumindest vor Corona der Fall.

Aufgrund von SARS-CoV-2 mussten wir, wie viele andere Bildungsinstitutionen auch, unseren Präsenzunterricht einstellen. Plötzlich waren wir damit konfrontiert, unsere Auszubildenden und Teilnehmerinnen sowohl inhaltlich als auch sozialpädagogisch mit alternativen Instrumenten und Methoden durch diese Zeit begleiten zu müssen. Viele von ihnen wurden durch die Corona-Krise hart getroffen: Prüfungen wurden verschoben, Ausbildungsplätze waren gefährdet, die gewohnte Tagesstruktur brach weg, im Homeoffice mussten sie selbst lernen und gleichzeitig kleine Kinder betreuen.

In diesem Blog-Beitrag berichten wir am Beispiel unserer eigenen Auszubildenden, wie wir aktuell die Teilnehmerinnen aller unserer Projekte individuell begleiten und digital unterrichten.

Die Übergangsphase: Keine Lücke im Lernstoff entstehen lassen

Zu Beginn der Krise standen wir vor der Herausforderung, den Kontakt zu unseren Teilnehmerinnen nicht zu verlieren und Lücken im Lernstoff erst gar nicht entstehen zu lassen. In der Übergangsphase hin zu überwiegend digitalem Unterricht wichen wir daher zunächst auf vergleichsweise „alte“ Medien aus: Arbeitsmaterialien wurden eingescannt, Aufgaben wurden per Mail verschickt ebenso wie deren Bearbeitung durch Teilnehmerinnen sowie die Korrekturen der Dozentinnen. Zusätzlich wurden die Arbeitsaufträge bzw. deren Korrekturen mit den Teilnehmerinnen telefonisch besprochen. Unterdessen entwickelte eine VbFF-Task-Force Konzepte für digitalen Unterricht. Auf diese Weise versorgten wir unsere Auszubildenden und Kursteilnehmerinnen durchgängig mit Arbeitsaufträgen und Unterricht.

Um in der Phase des Übergangs dennoch einen audiovisuellen Kontakt zu unseren Azubis aufrechtzuerhalten, setzten wir zunächst auf Programme wie Skype oder Whatsapp. Diese Dienste werden ohnehin von vielen genutzt. So erreichten wir fast alle Teilnehmerinnen und auch die einzelnen Ausbildungsgruppen blieben untereinander in Kontakt.

Neben Fragen zum Lernstoff tauchten zunehmend auch Fragen zu folgenden zwei Themen auf: Strukturierung im Homeoffice und Kinderbetreuung. Beides Themen, die in der Corona-Krise insgesamt Probleme aufwerfen und in den öffentlichen Diskurs Eingang finden. Selbstorganisation im Homeoffice ist für viele nicht einfach – wir werden uns daher in einem der nächsten Blogartikel eingehender damit beschäftigen.

Die Übergangsphase: Keine Lücke im Lernstoff entstehen lassen

Zum ersten Mal im virtuellen Klassenraum

Inzwischen stand das digitale Unterrichtskonzept und das virtuelle Klassenzimmer war eingerichtet. Die erste digitale Unterrichtsstunde konnte starten. Da fast alle Teilnehmerinnen zum ersten Mal einen solch virtuellen Klassenraum betreten sollten, waren wir auf technische und andere Schwierigkeiten vorbereitet. Schon im Vorfeld hatten wir den Frauen eine detaillierte “Gebrauchsanweisung” geschickt. Bei den ersten Schritten im virtuellen Raum unterstützten wir die Frauen darüber hinaus auf parallelen Kommunikationswegen (Mail, Messenger, Telefon).


Erste Schritte im virtuellen Klassenraum

Mit Teilnehmerinnen, die zum ersten Mal in einem virtuellen Raum sind, besprechen wir grundsätzlich in einem ersten Schritt Regeln, verschiedene technische Steuerungsmöglichkeiten und Datenschutz. Nachdem Basics wie Freischaltung des Mikrofons und der Kamera geklärt sind, geht es direkt an die Inhalte: Das Ausprobieren und Üben grundlegender Tools im virtuellen Klassenraum.

Verschiedene Tools erklären

Hierbei treten oftmals die ersten Hürden auf: Einige Teilnehmerinnen besitzen nur ein Smartphone und keine anderen Geräte. Sie können manchmal Inhalte nicht richtig lesen, geschweige denn bearbeiten. Andere teilen ihren PC mit der ganzen Familie. Dies führt zu Unterbrechungen, limitierten Anwesenheiten bis hin zu vollständiger Abwesenheit. Wieder andere sind mit Laptop, Tablet und Smartphone bestens ausgestattet – der Idealfall. Übrigens: Viele Teilnehmerinnen haben keinen Drucker. Das stellte sich als Problem heraus und bringt uns direkt zum nächsten Thema:

Zum ersten Mal im virtuellen Klassenraum

Das A & O: Die richtige Ausstattung

Ganz zu Beginn der Krise konnten wir uns noch mit denjenigen treffen, die über Laptops, Tablets und Headsets verfügen. Gemeinsam testeten wir deren Hardware und installierten die Adobe Connect-App. Diese benötigen sie, um am Unterricht teilzunehmen. Auszubildende mit unzureichender Ausstattung erhalten Headsets oder Laptops von uns.


Ein gutes Headset ist nicht zu unterschätzen

Im Unterricht machen wir immer wieder die Erfahrung, wie wichtig insbesondere ein gutes Headset ist – am besten eines mit Ohrpolstern, einstellbarem Mikrofon und mit Geräuschunterdrückung. Die Geräuschunterdrückung hilft beim Fokussieren – Umgebungsgeräusche werden einfach ausgeblendet. So kommen die Teilnehmerinnen viel leichter in einen Arbeitsmodus und haben nicht das Gefühl, mit Klassenkameradinnen auf dem Sofa in einem Google-Hangout „abzuhängen“.

Sehr wichtig für die Bearbeitung von Aufgaben sowie für die spätere Reflexion des Unterrichts ist ein Drucker zu Hause. Dies wird bei der privaten Anschaffung technischer Geräte häufig unterschätzt. Voraussetzung für das Vor- und Nachbereiten der Kursinhalte ist jedoch oftmals das Ausdrucken von Arbeitsmaterialien. So können die Teilnehmerinnen ihre Arbeitsaufträge auch später noch bearbeiten und besser nachvollziehen, was in den einzelnen Sitzungen thematisiert wurde.

Das A & O: Die richtige Ausstattung

Die Krux mit der Technik

Trotz guter Hardware-Ausstattung treten immer wieder einmal technische Probleme auf. Da sich die Gruppenmitglieder im virtuellen Klassenzimmer untereinander sehen sollen, arbeiten wir mit Videoschalte. Dabei kommt es leider mitunter zu verzögerter Sprachübertragung, zu Verbindungsabbrüchen oder aber die Teilnehmerinnen können sich gar nicht erst per Video zuschalten. Dies geschieht meist aufgrund einer zu langsamen Internetverbindung oder einer allgemeinen Netzüberlastung. Dennoch haben sich die Azubis mittlerweile gut eingearbeitet und finden oftmals selbst kreative Lösungen für auftretende Schwierigkeiten.


Digitaler Unterricht

Die Krux mit der Technik

Das Problem mit der Konzentration

Die nötige Spannung und Motivation für digitalen Unterricht bei den Azubis aufrechtzuerhalten ist für Dozentinnen nicht immer einfach. Schließlich brauchen viele Teilnehmerinnen für das Arbeiten von zu Hause aus mehr Selbstdisziplin – kommen dann noch private Störungen hinzu, wird dies zur echten Herausforderung. Viele unserer teilnehmenden Frauen haben Kinder, die zu Hause betreut werden müssen. Eine Kinderbetreuung ist oftmals nicht gegeben. So müssen die Mütter einerseits selbst für Prüfungen lernen und am Unterricht teilnehmen, während sie andererseits gleichzeitig ihre Kinder im Homeschooling unterrichten sollen. Oder die Kinder sind noch so klein, dass sie sich nicht alleine beschäftigen können. Leider bilden sich unter den aktuellen Bedingungen zwischen den Geschlechtern verstärkt traditionelle Muster der Arbeitsaufteilung heraus – dies geschieht zu Lasten vieler Frauen.

Das Problem mit der Konzentration

Die Vorteile des virtuellen Unterrichts

Trotz der beschriebenen Probleme kann virtueller Unterricht dennoch die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie erleichtern: Das Lernen zu Hause erleben viele Teilnehmerinnen als großes Plus. Aufwändige Wege fallen weg und zeitliche Flexibilität ist eher gewährleistet. Der virtuelle Klassenraum ermöglicht zudem ein Wiedersehen trotz Kontaktbeschränkung sowie den Austausch der Azubis untereinander. Auf diese Weise entsteht immerhin ein wenig Gruppengefühl.

Auch virtueller Unterricht ermöglicht interaktives Arbeiten: Phasen des Inputs wechseln sich mit aktiven Phasen ab. Individuelle Übungssessions und gemeinsames Arbeiten in Chats oder auf virtuellen Whiteboards sind Bestandteile des Unterrichts. Der persönliche Lernerfolg lässt sich leicht mit kleinen Tests zwischendurch überprüfen. Ferner sorgen unterschiedlich gestaltete virtuelle Arbeitsräume innerhalb einer Unterrichtseinheit für Abwechslung. So geben die Auszubildenden z.B. ihre persönlichen Bildschirme frei, um Arbeitsergebnisse zu präsentieren. Auf diese Weise wird nicht nur der Lernstoff verinnerlicht. Zugleich werden auch digitale Kompetenzen und Präsentationstechniken angeeignet. Die Möglichkeit, Neues kennenzulernen sowie moderne Kommunikationstools und -formate auszuprobieren sorgt für Spaß und hält die Teilnehmerinnen bei der Stange.

Die Vorteile des virtuellen Unterrichts

Hinweis: Da wir ein staatlich anerkannter Ausbildungsbetrieb sind, erhalten wir AdobeConnect vergünstigt als Edu-Lizenz.

2 Kommentare

  1. Gratulation zu der schnellen Umstellung – und dem wunderbaren Erfahrungsbericht! Das ist sicher hilfreich für andere, hier von Euren neuen Ansätzen zu lesen und zu lernen.

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